2005 – Der Mensch – nichts als Natur?
Der kritische Blick in diverse Wissenschaftsmagazine und auch in die anspruchsvollere Medienlandschaft vermittelt den Eindruck, dass der Mensch derzeit Gegenstand eines umfassenden naturalistischen Entzauberungsprogramms ist.
Der molekulargenetisch geschärfte Blick in die Zelle und den Zellkern analysiert die genetischen Programme von der Dechiffrierung der DNS bis zur vollständigen Sequenzierung des Genoms. Zukünftig auftretende Krankheiten werden vorhersehbar, dieweil der Proband noch nichts davon ahnt. Exekutiert der Mensch nur, was biologisch über ihn verhängt ist?
Der Blick ins Gehirn – ermöglicht durch das wachsende Verständnis der neurophysiologischen Prozesse in Verbindung mit modernen bildgebenden Verfahren – legt den Eindruck nahe, man wisse bald nicht nur genau wo, sondern auch was und wie gedacht und gefühlt wird. Auch das Denken und Fühlen ist mit einem Determinationsverdacht belegt.
Die Soziobiologie weitet ihre evolutiven Entstehungsszenarien auch auf Religion und Moral des Menschen aus. Dabei werden Religion und Moral zu selektionsprämierten Durchsetzungsstrategien. Sind sie das, nur das, oder was sind sie sonst?
Insgesamt erleben wir eine umfassende naturwissenschaftlich orientierte De- und Rekonstruktion des Menschen mit zahllosen Baustellen. Ist der Mensch nichts als Natur? Was sollte, könnte oder müsste er außer Natur sonst noch sein? Bieten nichtnaturalistische Anthropologien nur einen hinhaltenden aber aussichtslosen Widerstand gegen eine naturalistische Totalerklärung des Menschen? Wenn der Mensch von Natur ein Kulturwesen ist (Gehlen), was heißt dann Natur des Menschen?
Das Symposion möchte die Naturalisierung des Menschen, also die These „Der Mensch ist nichts als Natur und aus diesem Grunde – zumindest prinzipiell – vollständig naturwissenschaftlich erklärbar”, unter den Aspekten der Erkenntnisfähigkeit, des Ichbewusstseins und des moralischen Handelns einer kritischen interdisziplinären Sichtung unterziehen.